Montag, den 10. März 2014
Adieu Douce France!
Grouillez-vous les Teutons, das Einschlafen der kulturellen Beziehungen zwischen den einstigen Erbfeinden und Freunden Deutschland und Frankreich… ein NACHRUF!
Kennen Sie noch jemand, der Französisch spricht? Als zweite Fremdsprache wird allgemein Spanisch gewählt, weil es angeblich eine Weltsprache ist, die übrigens schon in Hispanien selbst mit galicisch, valencianisch, katalanisch zu kämpfen hat. Außerdem ist die einzige lateinische Großmacht heute Brasilien, und die werden einen Teufel tun, spanisch zu quatschen.
Ein Zyniker erzählte mir mal, mit Spanisch käme man höchstens bei den Pennern an der New Yorker Bronx gut durch. Mit einem Schweden, Engländer oder Holländer vermag man sich kaum in der Sprache von Cervantes und Franco zu verständigen.
Spanien hatte historisch viele Chancen, mit den Entdeckungen, der Eroberung des arabischen Andalusiens – diese cretinos hatten dann nichts weiter zu tun, als eine selten fleißige und betriebsame Bevölkerung zu vertreiben, im Goldrausch. Du, die haben all ihre historischen Möglichkeiten verspielt! Ick hablo natürlich espanol, aber es kann Französisch als Kultursprache, als Idiom des Denkens und der Demokratie, von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, in seiner faszinierenden Caféhauskultur, niemals ersetzen.
Nur, kein Teutone lernt die Sprache Voltaires noch richtig, man begnügt sich mit dem üblichen Notenglisch, was man für die einzige kulturelle Verständigungsmöglichkeit hält, kommt damit auch passabel durch. Die Gallier, nun einmal unfähig zum Fremdsprachenlernen, vermögen das nicht ganz so gut. Man muss ja auch akzeptieren, dass Frankreich ein eigenständiges Land ist und Deutschland eine amerikanische Kolonie.
Freundschaften, Ehen, soziale Verbindungen wie früher — sechziger Jahre etwa — gibt es kaum noch. Ich kenne tatsächlich deutsch-französische couples, die daran gescheitert sind, dass sie sich immer nur in ihrem gemeinsamen Ratterenglisch verständigten.
Wir sind wie ein altes Ehepaar, das mit Liebe, Streit und Hader und gegenseitigen Ansprüchen so viel durchgemacht hat, dass man sich jetzt diskret voneinander zurück zieht und höchstens versucht, wirtschaftlich-politisch zurechtzukommen. Ist ja auch in Ordnung. Wir haben viel Zeit damit verbracht voneinander zu träumen, so dass wir jetzt nicht mehr aufeinander gespannt sind, nicht mehr miteinander schlafen, uns nicht mehr manchmal die Fresse einschlagen.
Deutschland kommt meistens in der praktischen internationalen Politik besser zurecht als der Nachbar. Aber dafür bewundern uns die Gallier nicht, höchstens finden sie uns deshalb nicht so sympathisch. Und die Gebildeten unter ihnen träumen von Bach, Schubert oder Mozart, finden unser oft gebelltes, anglisiertes Idiom in seiner heiligsten Form wunderbar sonor, romantisch …
Ich hatte mal eine Freundin links des Rheins, die eine Schwäche für mich zeigte, richtig habe ich das auch nicht verstanden, O.K.? Die wurde in ihrer Umgebung machtvoll respektiert, ja bewundert: „Une romantique allemande, car elle aime Lothar”, hieß es da tatsächlich.
Ja, ich weiß, Du grinst bloß und denkst: Muss ja eine bescheuerte Tussi gewesen sein. Keine Angst, mein Freund und Gönner sie behielt ihren französischen Charme, das Kapriziöse, Raffinierte, Intelligente, ungeachtet ihrer deutschen Schwärmerei und legte mich echt rein. Eine wichtige Erfahrung! MERCI!
Deshalb bin ich noch immer frankophil geblieben, ich kann auch mit niemand leben, der nicht frankophil ist. Bis in die Intimität von Operationen — bei Narkosen, verstehst Du — fasele ich Französisch. Wir sind geschaffen, einander zu ergänzen. Dass die Römer im Teutoburger Wald 9 nach Christus gescheitert sind, finde ich einigermaßen tragisch. Denn ohne diese Niederlage wären wir Germanen auch Romanen geworden.
Aber dann hätte es diese wunderbare, manchmal qualvolle, heute blödsinnig denglisierte, sonore Sprache nicht gegeben, in der ich mich artikulieren darf. Ich hab’ eine ewige, nicht ganz erfüllte Liebe zu Frankreich und das als bewusster Germane, der stolz ist, in meinem wunderbaren Idiom mich ausdrücken zu dürfen.
Vive la France, vive l’Allemagne, und lasst uns immer gute Nachbarn sein, die sich auch stets wunderbar verständigen können. Ainsi soit-il! AMEN!