Der Barde schweigt nun
Lothar von Versen ist am 26.09.2014 verstorben.
Im Gedenken an ihn soll diese Website online bleiben. Alle Interessierten können sich weiterhin an seinen Liedern und Worten erfreuen.
Hörproben
Hier sind einige, nicht wenige Kostproben aus seinen Alben zum Anhören verfügbar. Ein Klick auf den Link bringt direkt zum jeweiligen Werk.
- „Laissons ces Fadaises” (1969)
- „Oh Vivianna” (1994)
- „Jazons — Big Star” — mit Renate! (2000)
- „Wollte Nicht der Frühling Kommen?” (2002)
- „L’Amour Total” (2004)
- „Walzer für Unreife” (2008)
- „Die Märchenfee” (2009)
- „Lieder, Liebe, Therapie” (2012)
Texte
Im Sommer 2014 schrieb Lothar seinen letzten Artikel, er würdigte in der ihm typischen Art den Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft. Ironisch, frech, aber nie verletzend, sondern hinterfragend und nach vorne schauend.
Zur gleichen Zeit hatte er den Einleitungstext für die Homepage neu geschrieben. Der Text zeigt in der ihm eigenen Mischung aus Übertreibung und Nüchternheit, wie Lothar sich sah. Seine abschließenden ‚Zukunftsaussichten‘ mögen nun uns als aufmunternder Ansporn dienen:
„Kunst” kommt von „Machen”, nicht „Dürfen” = bizzar oder bescheiden?
Lothar von Versen, ein bemerkenswerter Satiriker, Sänger, Entertainer, Liederfabrikant und Prosaschreiber des vorigen und diesen Jahrhunderts. Zynisch, witzig, gefühlvoll, wundervoll baritonal sich artikulierend, als Vokalist besser denn alle Rockerschreihälse oder intellektuellen Sprechsänger.
Kein Wecker, kein Wader, kein Mey, am ehesten noch ähnlich Hanns-Dieter Hüsch, den er verehrte. Kein Udo Jürgens oder Ulrich Roski, der sein einziger Freund unter den Liedermachern war.
Man mag ihn mehr oder etwas weniger, aber eins ist sicher: Er bleibt unberechenbar und steht für positive Unruhe. Und immer bescheiden.
Größe physisch (weil nur diese zu messen ist): Ein Meter achtzig, jetzt vielleicht eins neunundsiebzig, Gewicht 87 Kilo, Alter unbekannt (also krass eitel!).
Bilanz: 12 LP’s , bzw. CD’s , 4 Bücher, tausende von mehr oder weniger satirischen Rundfunkbeiträgen und Chansonsendungen, 587 Lektoratsgutachten voller meist abgelehnter Werke, welche Lothar dem Ullstein-Verlag in Berlin ersparte, etwa hunderttausend Auftritte in Kleinkunstbühnen.
Die Zukunft: Der Vergangenheit ähnlich, kreativ bis komisch, abwechslungsreich, liebevoll, nicht unbedingt apokalyptisch!
Der Welt geschenkt am 14. Juli 2014:
WE Are the CHAMPIONS … 13. Juli 2014 RIO.
Ja, und ich bin dadurch auch Weltmeister, eingeschmeichelter Kumpan der Özi, Schweini und des lustigen Tommy. Meine Frau ähnelt immer mehr einer von diesen verflucht attraktiven Spielergattinnen, gibt sich aber zum Glück viel bescheidener und unauffälliger auch Ihren Freundinnen gegenüber, die ebenfalls alle Weltmeisterinnen sind, aber diese Mädchen verfügen alle über gesunden Menschenverstand, obwohl sie dann immer noch mit so absurden Fragen kommen wie: Könnte man Khedira als neuen Libero einsetzen?
Erstmal muss das eine Weile gefeiert werden, aber wie lange, man schlafft ja auch ab. Zweitens sollten wir uns bei den Nachbarn ein bisschen erklären dürfen von wegen, wir Deutschen, wir hätten eben eine besondere Beziehung zu unserer Nationalelf, wir wären alle ausgebildete Bundestrainer, während man sich sonst mehr für den einzelnen Verein interessiert als für die nationale Föderation.
Im Grunde sei doch alles bloß ein Spiel, man könnte viel Geld damit verdienen, aber Geld mache auch nicht glücklich und die Nazis und die Rechten würden davon profitieren. Na und? Man darf es aber auch nicht vollkommen herunterspielen, als hielte man sich für einmalig und die anderen Menschen für Rumpelfußballer. Wie unglücklich müsste denn ein Luxemburger sein mit der Perspektive, dass sein Land nie Fußballweltmeister werden dürfte, oder ein Chinese, oder ein Tscherkesse.
Nein, wir wollen nicht mehr so lautstark-grölend-abstoßend, kotzend, falsch singend, barbarisch uns artikulieren (also ein bisschen wie die Engländer, die sehr viel wohlanständiger geworden sind, seit sie nicht mehr gewinnen). Wenn wir immer wieder mal Fußballweltmeister würden, sollten wir uns durch liebenswürdige Reden und gut gemeinte Trinksprüche auszeichnen.
Wir wollen bescheidener daherkommen, dem Besiegten entgegengehen, ihn erheben auf unser Niveau („am Deutschen Wesen soll die Welt genesen”) und überzeugend darlegen: Im Grunde macht es mehr Spaß, euch Franzosen, listigen Italienern, sogar Briten, wenn’s denn sein muss, zuzuschauen, als diesen Deutschen Perfektionisten.
Es ist eigentlich eine lediglich ästhetische Entwicklung. WIR WOLLTEN KEINE RUMPELFUSSBALLER werden und DESHALB WURDEN WIR WELTMEISTER. Wir wurden nur Weltmeister, weil wir uns um Eure Liebe bemühten.
Mehr nicht. Es ist ja am Ende nur ein Spiel. Und jetzt bleiben wir da wo wir sind und laden Euch ein, uns loyal zu besuchen, von uns zu lernen, mit uns dezent zu feiern …, weil wir eben Weltmeister sind.
So ist das, weiter nichts und deshalb grüße ich alle landsmännischen und landsfraulichen Weltmeister unserer Gegend und die, die uns deswegen bewundern! Was für ein schöner Tag!